SPUK & GEFLUNKER

Textbeispiele

 

räume mal den tisch ab, tu die schulhefte in den sack, geh aus dem haus. geh auf das erste ding davor zu und ruf es. es wird verstehen. setzt den sack nicht gleich beim ersten ab, geh weiter. lass dir zeit. schon winken und wackeln andere dinge die familiär tun und rufen dich bei deinem namen. du siehst, du bist hier bekannt. freund, dachtest du du könntest unerkannt passieren. hör nur wie alle ständig einander rufen hören. das lärmen ist nämlich erbarmen füreinander, die stille lediglich schnürsenkel das die gewerke zusammenhält

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ein schwein kam daher, sein hals klaffte ein wenig, doch war es noch gehfähig. der fleischer hatte es wohl nicht fest genug zu halten gewusst; nun irrt das verletzte tier auf mich zu und blickt mir hilfe heischend in das eine auge zuerst, das andre auch. ich öffne meinen schweren mantel unter dem es sich vorerst verbirgt.

mein schiff sticht morgen in see. wir laden nur noch zwieback und gepökeltes. bücher habe ich verboten. schlaumeiern, die sie unter ihrer nassjacke oder sonst einschmuggeln drücke ich die augen ein, wenn ich sie erwische. es ist besser nach innen reinzuschauen in diesem fall.

eine nacht, die letzte an land, haben wir im haus der lustigen matrosen durchgefeiert. dem säuli wurde ein heilpflaster und darüber ein schmuckes halsband umgetan. es tanzte auf den hinterhaxen für die freimütige gesellschaft von meinem boot. darunter befand sich auch ein emeritierter professor, der so manche schnurre zum besten gab. angeheitert stachen wir in die seelig machende see, hinaus, hindurch und drüberhin

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kniet. jetzt kommt die schauspieltruppe heraus. kniet. lebendige pyramide, flankiert von löwen mit hüten. hinten nach die blaskapelle des onkels, der sein ganzes vermögen ins schauspiel investiert. er hebt den stock, klopft zweimal auf den boden, da fallen die akrobaten auseinander.

nun bilden sie eine neue figur, den rechen. nebeneinander gehend scharren sie den platz auf. unter ihren füssen kommen viele erdige kleinhirne zu tage, durchpulst von würmern, welche die erdströme repräsentieren. der onkel betrachtet gleichmütig das dargebotene und klopft gleich wieder zweimal auf den boden. da streben die lebendigen rechenzinken auseinander um einen fächer vorzustellen. die prächtige mutter der truppe hält die verzweigten rippen beisammen, gleichsam als ihre kinder.

der herr onkel ist diesmal nicht zufrieden. er patriarchisiert eben doch zu gern und klopft heftig auf den rücken der herrschenden mutter. da zischeln aus ihren hochaufgetürmten haaren mehrere schlangen ihre mißbilligung, was den alten knacker nicht beeindruckt. bravo rufen einige kniende, andre kniende mißbilligen die rufenden und legen sich mit ihnen an. die rauferei endet erst in der nacht.

als schauspiel kann man mit der vorstellung zufrieden sein. als analytiker nicht. zu viele fragen hat die darbietung offen gelassen

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ein rotkreuzmann und sein begleiter gehen hin und töten den unbezeichneten mann mit wenigen stichen, nehmen seine papiere und machen sich auf den weg zur druckerei. der drucker war auf der hut. er schöpfte kaffee und reichte süsse gutele dazu.

ein maronite trat in die tür, verstört; seine tochter war von der wasserstelle nicht zurück seit einer reinen stunde. die roten kreuze auf den mänteln der fremden irritierten ihn etwas. reflektierend hob er sein umhangtuch hoch und zeigte ihnen sein braunkreuz; es war von seinem rückgrat praktisch durchgepaust aufs tuch. spontan umarmten sich die viere.

wir kamen von der küste eben herauf als die viere sich küssten, ihre bärtigen wangen aufbliesen und lustschnalzten. das weckte die nachtigall auf der libanesischen zeder am gemäuer; sie seufzte, ihr war, als hätte sie von schwarzen kreuzen geträumt. wie auch immer so hier: der letzte kuß war der beste.

die zufallsbrüder gingen auseinander, ein jeder in sein neu revier. der eine zu den hirschen am Golan, der zweite zu einer anderen druckerei im tal, der dritte, der maronite zu der vierstelligen mädchenwasserstelle; übrig melanchton mit seiner mehlenkolie am gürtel; das ist ein topf für alle fälle! ein hirte sah ihn abends, den brei unterm wasserfall rühren. in der folgenden nacht gesellte er sich zu den rosenkreuzern in der unbezeichneten höhle.

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neben dem theater das kostümlager, die wäscheleine für kleider, nahebei ein trog mit schweinesuppe, dazu große blechlöffel. ein kasten für die elektrik mit anschluß aussen vor, ein bach, eine linde, ein floß und der angebundene hund; knurr du nur.

heute abend kommen die einen und die andern hergehüpft. die einen mit den augen vorne, die andern mit den sehschlitzen an der seite. beide mit angegrauten schläfen, die einen ergraut von innen, die andern mit silberstiften angefärbelt. ein stück pro abend, ein haufen hundekot pro tag. drumherum flügeln geister mit flatternden bedruckten shawls, die kein philologe entziffern kann. wir liegen inzwischen auf der kohle, schwärzen unser gesicht;

wir geben das schreckgespenst in der tempelsturzklamotte. das spiel beginnt. sagt an, wer seid ihr.

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hundert meter weiter traf der poet die frau mit der taste. sie forderte ihn auf, zu drücken. schwer sank der hebel auf das polsterbett. danach liess laureatus los, um wieder in partibus libris zurück zu kehren.

doch nein. ein größeres selbst war nun in ihm zugange; wenigstens werkeltet es in ihm wie seinerzeit in Schnüfis.

im waldhaus zu Schnüfis war ähnliches passiert. ein milchmädchen hatte ihm ihren eimer vor die füsse gestellt und gleich darauf seinen haarbeutel abgeschnitten; wehrlos nun beide, bloß dass des milchmädchens milch im eimer, er aber glatt schopflos war. sie einigten sich, einander an den händen zu fassen, den inneren händen. die äusseren, auch sie strebten zueinander, scheiterten am widerstand von den zwei bilderbuchfiguren, die - och - ein jedes noch in seinem privatissimen rahmen sich zu befinden wähnten.

ein buch lag aufgeschlagen zwischen ihnen. mal er, mal sie blätterten absichtslos darin und - ups - fanden sie die ihnen beiden gemässe zauberkirsche, die sie an ihren altersamen stammbaum gemahnte und sie flatterdings dahin versätzte.

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Auszüge aus: Dominik Steiger: SPUK & GEFLUNKER, Ritter-Literatur, Klagenfurt, 2014, 183 S